Verein für Orts- und Heimatkunde Dorstfeld e.V.

Zeche und Werkssiedlung Oberdorstfeld

Denkmaltag am 11.9.2022

Die Werkssiedlung Oberdorstfeld wurde zwischen 1913 und 1919 im Auftrag der Gewerkschaft Dorstfeld, Eigentümerin der Zeche, von dem Essener Architekten Oskar Schwer erbaut. Die Häuserzeilen bestehen aus 35 unterschiedlichen Häusertypen, die sich in ihrer Größe und Gestaltung unterscheiden und innerhalb der Siedlung immer wieder in neuen Kombinationen zusammengesetzt wurden. Markant sind die diversen Dachformen und die großzügig angelegten Gärten und Vorgärten. Die Siedlung steht seit 1993 unter Denkmalschutz. 

Den diesjährigen Denkmaltag gestalten der Verein für Orts- und Heimatkunde e.V.  und die IG Zechensiedlung Oberdorstfeld gemeinsam. 

Seit 2013 beschäftigt sich die IG Zechensiedlung Oberdorstfeld mit der Geschichte der Kolonie und versucht diese durch verschiedene Aktivitäten und Projekte den BewohnerInnen und interessierten Personen näher zu bringen. So entstanden z.B. Informationstafeln zu verschiedenen Themen und Stromkästen wurden mit historischen Fotos gestaltet.  Auf der Homepage der IG gibt es weitere Informationen: https://www.siedlung-oberdorstfeld.de .

Wir freuen uns auf Euren Besuch in unserer Siedlung!

Wer nicht selbst klicken möchte, oder die Präsentation schon mal passiv genießen möchte, hier gibt es einen Film dazu:

KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz.

Fundstücke aus der Werkssiedlung Oberdorstfeld

Unter dem Motto des Denkmaltags 2022 präsentieren wir Fundstücke aus der Werkssiedlung Oberdorstfeld.

Bierflaschen

Bierflasche der Westfalia-Brauerei A.G. Lütgendortmund.

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Die Flasche aus braunem Glas mit einem Bügelverschluss aus Keramik trägt als Firmenlogo das westfälische Pferd.
1921 wurde die Westfalia-Brauerei von der Dortmunder Ritter Brauerei übernommen.

Die Flasche wurde bei Arbeiten am Fußboden unter den Dielen gefunden.

Schlackerest, Bügelverschluss der Ritter-Brauerei und Reste eines Bügelverschlusses einer Bierflasche.

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.


Schlacke, Bauschutt und Scherben von Bierflaschen sind keine ungewöhnlichen Funde in Gärten oder Zwischenböden von Häusern dieser Zeit.

Scherbe einer gelben Bierflasche der Brauerei Louis Heßler & Co GmbH Dortmund.

Die Brauerei Louis Heßler & Co GmbH Dortmund wurde 1910 gegründet und befand sich in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße. Insgesamt wurden drei Glasscherben gefunden, die eindeutig zuzuordnen sind.

Historische "Fenster"

Beim Renovieren eines alten Hauses kommen oftmals alte Tapeten, Farbschichten und Zeitungen zum Vorschein. Um sie zu dokumentieren und der Nachwelt zu erhalten, kann man ein „historisches Fenster“ anlegen. Wenn man einen Rahmen darum herum baut, wirkt es wie ein Bild – ein Fenster in die Vergangenheit oder ein modernes Kunstwerk.

Links und rechts:

Historische Wandgestaltung der Siedlungshäuser in unterschiedlicher Farbgestaltung.

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Der untere Teil ist als Ölsockel gestaltet. Der rohe Putz wurde mit einer Kunstharz-Lackfarbe gestrichen. Die dicke Lackschicht aus Ölfarbe diente als Schutz vor Feuchtigkeit oder Fett und war leicht abwaschbar. Diese beiden Farbvarianten fanden sich jeweils in der Diele und dem Treppenaufgang zweier Nachbarhäuser. Offenbar fand die Idee der Gartenstadt – anhand weniger Grundtypen eine vielfältige Siedlungsgestaltung zu erhalten – auch Niederschlag in solchen Details wie der Wandfarben. 

Historische Wandgestaltung

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Der Hauptraum im Erdgeschoss war mit diesem Schablonenmuster versehen. Die anderen Räume waren einfarbig und teilweise zusätzlich mit einem Ölsockel gestaltet. Neben Schablonen kamen um 1900 in nicht so gut gestellten Haushalten oft auch Struktur- oder Musterwalzen zum Einsatz. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war Arbeitszeit, etwa eines Anstreichers, tatsächlich günstiger, als Material wie Tapeten oder Vertäfelungen.

Gefunden unter Wandputz bzw. Tapetenschichten im Wohnbereich, Wittener Straße..

 

Historische Wandgestaltung

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Die Farbgestaltung findet sich ebenfalls in den Fluren im Erdgeschoss und erstem Stock sowie im Treppenhaus wieder. Der untere Teil ist auch hier als schmutzabweisender und abwischbarer Ölsockel gestaltet. Rechts im Eck findet sich eine Aussparung, parallel dazu fehlte auch die Fußleiste. Diese Fehlstellen verweisen auf die Eckbank, die dort und im 90 Grad-Winkel an einer hölzernen Wand mit Kassettenfeldern stand. Die Holzwand diente als Abtrennung zum Koch- und Nassbereich der Küche. Damit wurden sehr modern die zeitgenössischen Hygieneideen umgesetzt.

Gefunden unter Wandputz bzw. Tapetenschichten im Wohnbereich, Wittener Straße.

Viele BewohnerInnen

haben in ihren neu gekauften Häusern Überbleibsel der vorherigen Bewohner gefunden. Jedes dieser Dinge erzählt eine Geschichte.

Werbeschild der Firma „GEHA“,

1960er-Jahre

Im Haus befand sich eine Buchbinderei, die offenbar auch Werbung für Tinte und vielleicht für weitere Schreibwaren machte.

Gefunden in einem Lagerraum hinter Pappen, Wittener Straße.

Schusterwerkzeug „Dreifuß“ oder „Schusterfuß“ aus Eisen.

Drei rechtwinklig angeordnete Eisenleisten unterschiedlicher Form, über die das Schuhwerk zum Bearbeiten gestülpt wurde, 20. Jahrhundert.
Da sich im Gebäude ein Eisenwarengeschäft befand, war der Dreifuß vielleicht Teil des Sortimentes oder der Inhaber bot selbst Reparaturen an.

Gefunden unter einer Werkbank im Keller, Wittener Straße.

Hackbeil, schweres Beil aus Eisen mit Holzstiel.

Fleischerbeil; schweres Beil aus Eisen mit Holzstiel, 1. Hälfte 20. Jahrhundert.
Von 1933 bis 1949 war eine Metzgerei in einem zu Ladenlokalen umgebauten Doppelwohnhaus untergebracht. Insgesamt wurden zwei Fleischerbeile gefunden; eins mit einem lackierten, roten Holzgriff, eins mit einem einfachen Griff.

Gefunden unter einer fest installierten, massiven Ablage im Heizungskeller, Wittener Straße.

Signalhorn

Bei einigen Grundstücken gibt es hinter dem Garten noch Grabeland. Dieses Signalhorn fand sich in einem alten, zerfallenen Schuppen zusammen mit viel Müll unter hohem, dichten Brombeergesträuch. Es wird noch heute so verkauft, stammt aber wohl aus den 50er Jahren. Es war im Einsatz als Warnsignal an Maschinen und Förderkörben. Und die älteren kennen noch das Horn für Mittagspause und Feierabend.

Nach der Reinigung von 20 Jahren Lagerung im Garten funktioniert es wieder.

Gefunden im Grabeland hinter dem Haus an der Wittener Straße.

Drei Glasflaschen:

Zwei Arzneiflaschen ohne Beschriftung

Eine mit dem Aufkleber „Birken-Balsam“.

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Die dunkle und kühle Lagerung von Drogerieartikel wie etwa Haarwasser war auch vor rund hundert Jahren schon bekannt. In einer Apothekenzeitschrift von 1915 finden sich für Birkenbalsam-Haarwasser folgende Inhaltsstoffe:

40 g Oleum Gemmae Betularum aeth. (Birkenknospenöl)
30 g Oleum Bergamottae (Bergamottöl)
5 g Oleum Geranii (Geranienöl)
5 g Acidum salicylicum (Salizylsäure)
100 g Glycerinum purum (Glycerin)
200 g Spiritus Vini (Weingeist)
500 g Aqua destillata (destilliertes Wasser)

Gefunden auf dem Sims unter einer Kellertreppe.

Teil einer Leitung, verzinkter Stahl

Es ist unklar, für was die gefundene Metallleitung gedient hat. Vielleicht wurde damit der hintere Bereich der Gärten, der allgemein genutzt wurde, bewässert; vielleicht war es auch Teil einer Gasleitung oder ähnlichem.

Gefunden im Garten, ehemaliger Gemeinschaftsbereich der Bewohner.

Teil des Holzfachwerkständers einer Innenwand mit vier Kerben

Diese dienten als Nummerierung beim Aufbau. Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Die tragenden Innenwände der Siedlungshäuser bestehen aus einer Fachwerkskonstruktion, die anschließend verputzt wurde. Alle Hauptbalken sind über Kerben durchnummeriert. Auch bei den Tragebalken in den Speichern findet sich dieses System. Mit dieser Vorbereitung konnte ein schneller Aufbau, sozusagen „von der Stange“ für die Gewerkschaft gewährleistet werden.

„Gefunden“ in der Wand im Erdgeschoss.

Drei sechseckige Bodenfliesen aus rotem Ton

Sogenannte „Caesar-Platten“ oder „Rote Friedländerin“ waren in allen Häusern der Siedlung im Eingangsbereich und im Küchenabschnitt verlegt. Die Siedlung befindet sich mit diesen Fliesen in edler Gesellschaft, denn dieselben Fliesen sind auch im Kölner und Aachener Dom zu finden.

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Das Tonplattenwerk Friedland AG befand sich im heutigen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. 1903/04 entwickelte der technische Leiter, Gustav Caesar, eine hochwertige Fußbodenplatte, deren Format grundlegend für die zeitgenössischen Bo-denfliesen wurde. Um den Herdbereich in den Küchen der Zechensiedlung Oberdorstfeld wurde zudem eine quadratische rote Bodenplatte ver-baut, die aus der Sinziger Mosaikplattenfabrik (Ahrweiler) stammen. Das Unternehmen gehörte seit 1910 zum Friedlander Werk.

„Gefunden“ im Küchenbereich.

Seilzugrolle aus Eisen für die Dachbodenklappe

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Alle Häuser haben über dem Kniestock im ersten Obergeschoss noch einen Speicher, der über eine Deckenklappe und eine ausziehbare Bodentreppe zugänglich ist. Durch die Rolle lief ein Seil, an dessen einem Ende ein schweres Gewicht befestigt war, dass beim Öffnen der Klappe dafür sorgte, dass sie nicht wieder zufiel.

„Gefunden“ auf dem Dachboden, Zechenstraße.

Großes Lampenschutzgitter aus Eisen

Vermutlich von einer Deckenlampe der Zeche, 20. Jahrhundert.

Da lange Zeit der Mietvertrag für eine Wohnung in der Zechensiedlung an den Arbeitsvertrag mit dem Bergwerksbetreiber Gewerkschaft Dorstfeld gekoppelt war, haben entsprechend viele Bewohner auf der Zeche gearbeitet (Frauenarbeitsplätze waren nur über Tage möglich und eher selten). Wie auch in der Schwerindustrie war es üblich und selbstverständlich, dass man (ohne schlechtes Gewissen) für den Eigengebrauch ausrangiertes, aber auch neues Material vom Arbeitsplatz mitnahm und weiter verwendete.

Gefunden im Garten, Zechenstraße.

Dreieckige Kelle aus Metall

Ursprünglich wohl mit einem Holzgriff versehen. Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Bis heute ist es nicht ungewöhnlich, dass defekte Werkzeuge aber auch Bauschutt in Fundamente und Hohlräume einer Baustelle eingearbeitet und so entsorgt werden.

Gefunden unter den Caesar-Platten eines Küchenbereichs, Wittener Straße.

Zwei Tintenfässchen und Teil eines Tintenfässchens

Bauzeitlich, also 1913-1918.

Die Häufung der Tintengläser im Garten eines Ar-beiterhauses ist erstaunlich. Eine mögliche Erklä-rung wäre, dass sich hier im ersten Bauabschnitt eine Art Bauaufsicht oder ähnliches befunden hat, die dafür Schreibarbeiten ausführen musste. Die Entsorgung von Müll und Bauschutt während Bauarbeiten ist bis heute nicht unüblich.

Gefunden im Garten, erster Bauabschnitt.

Rinderknochen

20. Jahrhundert

Jedes Haus der Zechensiedlung hatte einen eigenen kleinen Anbau, der als Stall ausgelegt war, und der Selbstversorgung diente. Vor allem Kleinvieh, aber auch Schweine wurden dort ge-halten. Bis in die 1950er-Jahre gab es regelmäßig Hausschlachtungen für den Eigenbedarf, bei denen das komplette Tier verwertet wurde. Rin-der dagegen wurden sicherlich kaum in den kleinen Räumen und Gärten gehalten, aber wohl verzehrt. So wird auch die Knochen als Essens-reste dorthin gelangt sein.

Gefunden im Garten, hinter dem ehemaligen Stall.

Teile verschiedener Geschirrstücke aus Porzellan

20. Jahrhundert.

Die Formen der ausgegrabenen Porzellanteile lassen auf Kuchenteller und eine Tasse schließen, aus nicht sehr hochwertigem Material, mit einem blauen Blumenmuster in Aufglasurdekoration. Ein weiteres Steingutteil ist mit einer dunkelblauen Bemalung versehen

Gefunden im Garten.

Seilscheibe aus Holz für die Dachbodenklappe

Bauzeitlich, ca. 1913-1918.

Alle Häuser haben eine über dem Kniestock im ersten Obergeschoss noch einen Speicher, der über eine Deckenklappe und eine ausziehbare Bodentreppe zugänglich ist. Durch die Rolle lief ein Seil, an dessen einem Ende ein schweres Gewicht befestigt war, dass beim Öffnen der Klappe dafür sorgte, dass sie nicht wieder zufiel.

„Gefunden“ auf einem Dachboden.

Tonziegel

Vermutlich aus der Dorstfelder Ziegelei im sog. Reichsformat (25 cm × 12 cm × 6,5 cm).

Das Reichsformat für Ziegel wurde 1872 in Deutschland per Gesetz eingeführt. Mit seinen Abmessungen diente es zunächst als Norm für Staatsbauten im Norddeutschen Bund. Aufgrund seiner Wirtschaftlichkeit setzte sich das Format aber nach und nach im ganzen Reichsgebiet – auch bei Privatbauten – durch. Bis 1950 wurde der größte Teil der deutschen Ziegel im Reichsformat hergestellt. Die Ziegel der alten Dorstfelder Ziegelei sind extrem hart und von dunklem, fast bläulichem Farbton.

„Gefunden“ im Gefach einer Wand im Erdgeschoss

Zeitungsseite der Ruhr-Nachrichten vom 7./8. Juni 1958

Vermutlich wurden um 1958 durch den Vermieter, die Gewerkschaft Dorstfeld, die Fenster der Siedlung erneuert. Es war durchaus üblich alte Zeitungen als Dämm-Material zu verwenden. Im Bereich des Wohnraumes fanden sich in den Leibungen zudem Zeitungsseiten der Ruhr-Nachrichten vom 2. und 5. August 1985. Diese könnten vom Einbau neuer Kunststoffenster durch die ersten privaten Eigentümer – ab Anfang der 1980er-Jahre wurden die Häuser privatisiert – stammen.

Gefunden in der Leibung eines Stallfensters.

Feedback

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Die Bilder stammen von Harald Storm.

Natürlich heißen wir Euch auch gerne beim VOH und der IG willkommen.

Ihr habt eigene Fundstücke, wir nehmen sie gerne in die Galerie auf.

Wir möchten Euch auch die Präsentationen vom Denkmaltag 2021 empfehlen:

Dorstfelder Glasfenster von Nils Kowalewski

http://www.dorstfeld.com/dorstfelder-glasfenster/ 

Zeche damals/heute:

http://www.dorstfeld.com/denkmaltag-2021/

Glück auf!

https://www.siedlung-oberdorstfeld.de

http://www.dorstfeld.com/

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